Durch die Sondersituation Berlins herrschte in den 70er Jahren eine erhebliche Verknappung von Bauland. Die Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße ist eine modellhafte Antwort in Form einer Mehrfachnutzung von Verkehrsflächen. Für die Planer des Komplexes, die Architekten Georg Heinrichs sowie Gerhard und Klaus D. Krebs, stand neben der Schaffung von Wohnraum mit hohem Wohnwert im Vordergrund, die „Zerschneidung eines bis dahin intakten Wohngebietes durch eine Autobahntrasse in Hochlage“ ebenso zu vermeiden, wie schon damals der Gedanke an den „Umweltschutzaspekt zur Reduzierung der Lärmemissionen und der Kontrolle der C02 Emissionen“. (siehe Projektbeschreibung, ebendort auch mit zahlreichen weiteren Bildern).
2017 wurde die „Schlange“(die ihren Spitznamen übrigens nicht nur der Schlangenbader Straße, an deren Verlauf sie liegt, zu verdanken hat, sondern auch dem leicht geschwungenen Verlauf der Autobahnführung entlang) als Autobahnüberbauung unter Denkmalschutz gestellt. Daneben wurden die Grünanlagen um die Schlange herum als Gartendenkmal ebenfalls in die Landesdenkmalliste aufgenommen.
„Der Denkmalschutz erstreckt sich auf das gesamte Baudenkmal und Gartendenkmal bestehend aus:
- Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße Nord und Süd mit Brücke über die Wiesbadener Straße;
- Wohnzeilen Schlangenbader Straße Nord und Süd
- Schallschutzbauten Nord-West, Nord-Ost, Süd-West, Süd-Ost
- Müllentsorgungszentrale
- Parkhaus
- Geschäftszentrum
- Außenanlagen mit Kunstwerken von Georg Seibert und Haus-Rucker-Co (Gartendenkmal)
Die Wohnanlage in der Schlangenbader Straße mit der Überbauung der Stadtautobahn ist weltweit die einzige ausgeführte Anlage ihrer Art. Sie markiert den Höhepunkt und ist Maßstab einer Städtebau- und Verkehrskonzeption, die als Leitthema die internationale Planungskultur im 19. und 20. Jahrhunderts geprägt hat. Durch die in sie eingegangenen Studien, Entwürfe und Erfahrungen aus dem In- und Ausland bildet sie bis heute den Schlussstein eines über mehr als einhundert Jahre entwickelten architektonischen und städtebaulichen Typus.
Architektonische und künstlerische Bedeutung
Das Großprojekt forderte von der städtebaulichen Figur bis zum Ausbau der Wohnungen eine konsistente und auf die Sonderbauten abgestimmte Gestaltung. Das betraf nicht allein die 1064 Wohnungen in der Überbauung, für die 120 Varianten unterschiedlicher Wohnungstypen entwickelt wurden, sondern auch die ‚Schallschutzbauten’, deren Grundrisse geschickt auf die Lage an der Stadtautobahn abgestimmt wurden. Konstruktiv und baukünstlerisch gehört die große Wohnanlage zu den Schlüsselwerke ihrer Entstehungszeit; neben den herausragenden Ingenieursleistungen und der Gestaltung der Gesamtanlage galt auch die Organisation der Großbaustelle und der Betrieb der Wohnanlage als besondere Herausforderung. Wohnungen und Gemeinschaftsbereiche, Geschäftszentrum und Parkdecks, Außenanlagen und technische Einrichtungen bedingten ein Konzept, das auf unterschiedliche Aspekte der Bewirtschaftung einging.
Gartenkünstlerische Bedeutung
Für die Außenanlagen realisierten die Landschaftsarchitekten Paul-Heinz Gischow und Prof. Walter Rossow 1979-81 ein anspruchsvolles Grünkonzept, das sowohl die Ansprüche der Mieter an Wohnlichkeit und Nutzbarkeit, die besondere städtebauliche Situation als auch stadtökologische Anforderungen berücksichtigt. Die Außenanlagen bilden über mehrere individuell gestaltete Höfe hinweg eine gestalterische Einheit, die durch das wiederkehrende Gestaltungselement des Kreises für Spiel- und Aufenthaltsflächen gekennzeichnet ist, durch vielfältige Pflanzungen, eine durchgängige Materialwahl und sowie durch die Akzentuierung mit bespielbaren
Skulpturen.
Das Bepflanzungskonzept nutzte bereits zu Beginn der Pflanzarbeiten Großbäume. Leitgedanken waren die räumliche Gliederung der Freiflächen, Bildung unterschiedlich großer Raumfolgen mit Durchblicken und Sichtachsen, Beschattung der Spielplätze, Verbesserung des Kleinklimas im Bereich der konzentrierten Wohnbebauung, Schutzpflanzung gegenüber der Stadtautobahn und an den Tunnelenden, Vogelschutz sowie Bienennährgehölze. Rossow und Gischow verstanden es, der groß dimensionierten Wohnanlage sehr qualitätsvolle, identitätsstiftende und klug gegliederte, abwechslungsreiche und topographisch bewegte Freiräume zu geben. Gleichzeitig unterstützt die landschaftsarchitektonische Gestaltung das Bild eines Wohngebirges, das sich aus einer Landschaft erhebt.“
(Quelle Erläuterungsbogen Landesdenkmalamt)
Die Fotos des Modells der Schlange entstanden im Rahmen des Mieterfestes 2021, anlässlich dessen freundlicherweise Wolf Bertelsmann, Architekt und Projektleiter beim Bau an der Schlangenbader Straße, nicht nur das Modell zur Verfügung stellte, sondern interessierten Mietern Rede und Antwort stand.


